Donnerstag, 11. August 2011

Leseprobe aus fliegende Fische von David Gray

Ohne langes Palaver, hier mal wieder eine neue Textprobe aus einer Kurzgeschichtensammlung mit dem Titel "Fliegende Fische" von David Gray ein Psydonym eines deutschen Autoren, erhältlich bei Amazon im Kindle Store.

Ich bin der Mann, den keiner je sieht, wenn er seine Club- und Diskorunde dreht.
Ich bin der Kerl, der - während ihr auf der Tanzfläche eure Finger in den Hintern
eurer Schickse krallt - ein paar Meter weiter in einem nach altem Fusel und
kaltem Zigarettenrauch riechenden Kabuff über Umsatzzahlen und Bestellungen
hockt. Ich bin der Clubmanager. Ich habe in den großen Hotelbars und den
miesen kleinen Clubs gearbeitet, mein Name steht in den Rolodex-Karteien von
Clubbesitzern von hier bis Sydney. Ich bin ein Nomade. Länger als zwei Jahre
habe ich es bisher nie in irgendeiner Stadt ausgehalten.
Montags haben die Tänzerinnen in dem Club, den ich hier in dieser Stadt
manage, Sendepause.
Dann schraubt Mario, der Barkeeper, die beiden Gogo-Stangen auf der Bühne ab,
rollt ein Klavier, ein paar Boxen, Verstärker und ein Schlagzeug auf die Bühne
und wir geben den Jazzern einer Chance.
Eines Freitagnachts stand dieser stille Portugiese vor der Bar. Meinte er könne
zwar nicht zahlen, aber bräuchte trotzdem was zu trinken.
Mario meinte er bräuchte keinen Tellerwäscher und Putzen hätte er auch schon
mehr als genug.
Der Portugiese meinte, er könne ein paar Gigs spielen.
Mario sah ihm eine Weile in die Augen und auf die rissigen Malocherhände und
verkündete sein Urteil: Verschwinde.
Der Portugiese wusste wann er verloren hatte und ging.
Doch am Montag der Woche drauf war er wieder da, löhnte ein paar Bier,
lauschte eine Weile den lokalen Jazzercombogrößen, aber sagte kein Wort.
Als die Jungs auf der Bühne ihren Teil gekriegt hatten und einzupacken
begannen, schob der Mann aus dem Süden dem Pianisten einen Zwanziger ins
Sakko und fragte, ob er nicht noch ein paar Runden für ihn übrig hätte.
Der Pianist starrte ihm genauso belämmert auf die Malochergriffel wie Mario
zuvor. Andererseits: der Zwanziger war ihm sicher – was hatte er schon zu
verlieren?
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Also klappte er den Klavierdeckel noch mal auf, kippte ein Bier, steckte sich eine
Kippe zwischen die Lippen und schlug die ersten Takte von God bless the Child
an. Was nun so ganz und gar kein Song war, der nach Charlie Bird Parker
schmeckte. Doch dem Mann aus dem Süden schien es egal zu sein. Er leckte das
Mundstück seines Sax an, schraubte es auf und legte los.
Bloß holte er nicht einfach nur Töne aus dem Blech. Sondern drehte nur so zum
Warmwerden ein paar Runden rauf zu den Sternen, und kam dann nur zurück,
um Dich nach einer Nervenzerfetzenden Pause mit so viel Schärfe und Schmerz
aus seinem Sax zu belegen, dass Du meintest, er hätte Dich zu einem Kurztrip in
eine Hölle auf Harleyrädern mitgenommen.
Dem Kerl am Klavier standen die Schweißperlen auf der Stirn. Das war längst
keine Amateursession mehr. Er konnte das Spiel des Portugiesen gar nicht anders
als persönlich zu nehmen.
Ich meine: der Junge war wirklich nicht schlecht. Weit besser als nur Lokalgröße.
Kaum einer hinter dem er sich irgendwo zwischen hier und dem Atlantik hätte für
länger verstecken müssen. Nur sah er gegen den stillen Mann aus dem Süden
plötzlich trotzdem so verdammt alt aus. Und er war es nun mal nicht gewohnt
schlecht auszusehen.
Also meinte er, höchste Zeit ein bisschen in der Trickkiste zu wühlen.
Also war das nächste Teil, das er anstimmte Lester Lakes Harbour Lights. Und
das ist nun wirklich der reinste, edelste Billigschmalz – so zäh und sentimental
wie die Kotze eines Versicherungsvertreters auf den Stufen eines Hotel Garni.
Es nützte ihm nichts.
Der Mann aus dem Süden nahm den Jungen am Klavier mit seinem Sax
auseinander und er schien sich dabei noch nicht mal besonders anstrengen zu
müssen. Sobald er sein Mundstück zwischen den Lippen hatte, kriegten Lester
Lakes Schmalzkaimauern Kanten so wahr, hart und blutig konturiert, wie die
Kreidestriche um eine Leiche vor der Linse eines Polizeiphotographen.
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Ich stand volle zwanzig Minuten neben Marios Bar und vergass mir die blöde
Kippe zwischen meinen Lippen auch anzuzünden, so geschockt und hingerissen
war ich von dem Mann aus dem Süden und der Magie, die er aus seinem Sax
hervorholte.

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