Über die Autorin:
Marla B. Singer ist Sinologin und übersetzt seit vielen Jahren chinesische Texte. Mit ihrer Heldin Verena Winter teilt Marla ihre Leidenschaft für China. Inspiriert von der rasanten wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Asien und ihrer Liebe zum Schreiben entstand die Idee zu einem modernen China-Krimi.
Marla B. Singer lebt, arbeitet und schreibt in London.
Marla B. Singer lebt, arbeitet und schreibt in London.
Das Buch ist erhältlich bei z.B. Amazon:
Die Autorenwebsite: http://www.marla-b-singer.comKlappentext:
Dass Verena eines
Tages um ihren Job fürchten muss, hätte sie sich nie träumen lassen.
Schließlich verleiht sie der Firma in ihrem schwäbischen Heimatdorf nicht nur
optischen Glanz, sie ist auch als Übersetzerin für alle Verhandlungen mit den
chinesischen Partnerfirmen zuständig.
Aber dann bringen
die Chinesen ihren eigenen Dolmetscher mit. Verena ist nur kurz von der
Souveränität und den Sprachkenntnissen ihres Konkurrenten beeindruckt. Schnell
wird ihr klar, dass der Neue eine ganz eigene Agenda hat. Wieso weiß er, dass
Verena heimlich Artikel für eine chinakritische Website übersetzt und warum
interessiert er sich für alte Archivunterlagen? Auf einmal muss Verena sich
nicht nur um ihren Arbeitsplatz sorgen sondern auch um ihren australischen Freund
Lexi, der aus Angst vor den chinesischen Behörden untergetaucht ist. Und auch
hier hat der neue Dolmetscher seine Hand im Spiel.
Textprobe:
Mir war klar, dass der kleine Deng Frau Grünfeld im Handumdrehen
um den Finger gewickelt hatte. Jetzt saß er also völlig ungestört in
meinem Zimmer und zog Kopien von der Festplatte. Toll gelaufen.
Ich stürzte –so weit das in meinem Zustand möglich war- die Treppe
hinauf und riss die nicht mehr abgeschlossene Tür auf:
„Ta ma de“, schleuderte ich meinen schlimmsten chinesischen Fluch
ins Zimmer. Und wieder war ich zu langsam, diesmal konnte ich die Worte
nicht mehr stoppen, obwohl ich längst erkannt hatte, dass auf meinem
Schreibtischstuhl nicht der kleine Deng saß.
Ohne Ihre aufrechte Haltung zu verlieren doch mit leiser
Verwunderung blickte mir Frau Lorenz entgegen.
„Sie müssen die kleine Notlüge entschuldigen. Ich wollte nicht ewig auf
Sie auf der Straße warten. Das hätte jede Menge Aufmerksamkeit erregt.
Darum bat ich ihre Zimmerwirtin mir aufzuschließen. Wir kennen uns aus
der Kirchengemeinde.“
Mit ihrer strengen Aura konnte Frau Lorenz mit Sicherheit ganze
Schulhallen zum Schweigen bringen. Ich nickte nur kurz und kam mir auf
einmal in meiner eigenen Wohnung fehl am Platz vor. Verlegen zog ich
mein Kleid nach unten und ließ mich auf der einzigen weiteren
Sitzgelegenheit, einer kleinen Aufklapptreppe, neben meinen
Kleiderstangen nieder.
„Frau Winter, ich will keine Zeit verlieren. Mir ist klar, dass ich hier
einige Grenzen überschreite, aber ich will das Richtige tun. Ich habe keine
Ahnung wie viel Sie wissen, aber Dr. Baum hat Ihnen den Ordner
gegeben. Mir ist aufgefallen, dass in dem Ordner einige Unterlagen
fehlten und ich wusste, wo sie zu finden waren. Ich habe Kopien
anfertigen lassen und hier für Sie auf Ihrem Schreibtisch hinterlegt. Dr.
Baum hat sie Ihnen vorenthalten, aber wie gesagt, ich will das Richtige
tun.“
Das Blut pochte in meiner Stirn. Wenn ich nur kurz die Augen
schließen würde, wäre mein Gleichgewichtssinn dahin. Vielleicht würde
Frau Lorenz dann endlich klar, dass ich die Promillegrenze für
Fahrradfahrer weit überschritten hatte.
„Weiß Dr. Baum, dass Sie hier sind?“, brachte ich schließlich
einigermaßen klar heraus.
Frau Lorenz sah mich nicht einmal an. Jetzt dämmerte mir, dass sie
genauso neben sich stand wie ich. Ich hatte zumindest den Alkohol als
Ausrede.
„Er weiß es nicht und ich hoffe, Sie werden es ihm nicht sagen. All die
Jahre – meine Aufgabe ist es diskret zu sein. Ich habe über alles
geschwiegen. Verträge, Kündigungen, Firmenkäufe, auch über die
privaten Dinge. Seine wechselnden Partnerschaften, die kleinen Dramen,
die Höhenflüge.“
Die Kontrolle über meine Mimik hatte ich auch verloren und so rollten
sich meine Augen Richtung Stirn. Was mir jetzt noch fehlte war Frau
Lorenz, die sich nachts in meiner Wohnung über ihren schwulen Chef
ausweinte.
Die Vorstandssekretärin schien mich vergessen zu haben. Sie hätte
jetzt auch irgendwo am Strand sitzen können, Palmen im Hintergrund und
ein Krebs, der ihren großen Zeh annagt. Es wäre ihr nicht aufgefallen. In
ihrem Kopf spulte sie 30 Jahre Firmenzugehörigkeit ab.
„Er hat mich immer respektvoll behandelt. Wir waren sozusagen auf
einer Ebene.“
Ich kicherte leise, aber auch das brachte Frau Lorenz nicht aus der
Ruhe.
„Natürlich hat sich vieles verändert seit er Vorstandsvorsitzender einer
AG ist. Wir sind eben kein Familienunternehmen mehr. Alles im Interesse
unserer Aktionäre sagt er immer. Ich bin nicht mit allem einverstanden,
aber ich kann seine Entscheidungen nachvollziehen. Die meisten, meine
ich. Nicht alle...“
Mein Handy piepste, eine SMS. Das Geräusch holte Frau Lorenz
zurück in die Realität. Die Spannung kehrte in ihren Körper zurück wie in
eine Marionette, deren Fäden man anzog. Sie strich sich über den
dunklen Strickrock, als wolle sie nicht vorhandene Krümel abstreifen.
Dann erhob sie sich.
Automatisch stand ich auch auf. Sie ging an mir vorbei zur Tür. Dabei
rümpfte sie ganz unmerklich die Nase.
„Morgen früh wissen Sie sicher, was mit den Unterlagen zu tun ist. Ich
denke, Sie sollten sich jetzt ausschlafen.“
Dann sagte sie: „Das Etikett hängt hinten aus Ihrem Kleid. Sie legen
doch sonst so viel Wert auf Ihr Äußeres.“
Es klang fast mütterlich.
Sobald sie aus der Tür war, goss ich mir ein großes Glas
Leitungswasser ein. Mein Hals war jetzt bereits ausgetrocknet. Keine
Ahnung wie ich mich erst morgen früh fühlen würde. Für einige Sekunden
kam ich mir nüchtern vor und nahm die drei Kopien in die Hand, die Frau
Lorenz zentral auf meinem Schreibtischchaos platziert hatte. Als ich
versuchte die Buchstaben zu entziffern, verschwammen sie vor meinen
Augen und tanzten wie ein Mückenschwarm auf dem Papier. Wie lange es
auch gedauert haben musste, auf einmal wurde mir klar, was ich in der
Hand hielt. Es war nicht mehr und nicht weniger als der Beweis, dass
noch jemand außer dem Boss in Schwierigkeiten steckte.
Ein Telefon klingelte. Nach ein paar Sekunden begriff ich, dass es
meine Skype-Leitung war. Außer Cliff und Lexi waren alle eingehenden
Anrufe gesperrt. Cliff hatte mir gerade noch gefehlt. Im Moment hatte ich
andere Sorgen als mich um die Finanzierung von mehr Serverkapazität zu
kümmern. Fluchend ging ich zum Computer. Es war nicht Cliff, der anrief.
Es war – Lexi.
Lexis Stimme klang aus dem Lautsprecher, bevor sein Gesicht völlig
verzerrt auf dem Bildschirm erschien.
„Vi, endlich. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“
Seine Zähne strahlten trotz der schlechten Leitung unverwechselbar
und ich wünschte mir ich könnte über seinen Dreitagebart streichen.
Eine Mischung aus unbändiger Freude und explodierender Wut
machte sich in mir breit. Zusammen mit dem Alkohol war das keine gute
Kombination. Ich rannte ins Badezimmer und übergab mich ins
Waschbecken.
Bleich, aber etwas klarer im Kopf kehrte ich zum Computer zurück.
„Hi, bist du krank Vi? Hoffe das hat nichts mit mir zu tun. Du musst
besorgt gewesen sein. Aber ich habe einfach keinen sicheren Computer
gefunden – bis jetzt.“
um den Finger gewickelt hatte. Jetzt saß er also völlig ungestört in
meinem Zimmer und zog Kopien von der Festplatte. Toll gelaufen.
Ich stürzte –so weit das in meinem Zustand möglich war- die Treppe
hinauf und riss die nicht mehr abgeschlossene Tür auf:
„Ta ma de“, schleuderte ich meinen schlimmsten chinesischen Fluch
ins Zimmer. Und wieder war ich zu langsam, diesmal konnte ich die Worte
nicht mehr stoppen, obwohl ich längst erkannt hatte, dass auf meinem
Schreibtischstuhl nicht der kleine Deng saß.
Ohne Ihre aufrechte Haltung zu verlieren doch mit leiser
Verwunderung blickte mir Frau Lorenz entgegen.
„Sie müssen die kleine Notlüge entschuldigen. Ich wollte nicht ewig auf
Sie auf der Straße warten. Das hätte jede Menge Aufmerksamkeit erregt.
Darum bat ich ihre Zimmerwirtin mir aufzuschließen. Wir kennen uns aus
der Kirchengemeinde.“
Mit ihrer strengen Aura konnte Frau Lorenz mit Sicherheit ganze
Schulhallen zum Schweigen bringen. Ich nickte nur kurz und kam mir auf
einmal in meiner eigenen Wohnung fehl am Platz vor. Verlegen zog ich
mein Kleid nach unten und ließ mich auf der einzigen weiteren
Sitzgelegenheit, einer kleinen Aufklapptreppe, neben meinen
Kleiderstangen nieder.
„Frau Winter, ich will keine Zeit verlieren. Mir ist klar, dass ich hier
einige Grenzen überschreite, aber ich will das Richtige tun. Ich habe keine
Ahnung wie viel Sie wissen, aber Dr. Baum hat Ihnen den Ordner
gegeben. Mir ist aufgefallen, dass in dem Ordner einige Unterlagen
fehlten und ich wusste, wo sie zu finden waren. Ich habe Kopien
anfertigen lassen und hier für Sie auf Ihrem Schreibtisch hinterlegt. Dr.
Baum hat sie Ihnen vorenthalten, aber wie gesagt, ich will das Richtige
tun.“
Das Blut pochte in meiner Stirn. Wenn ich nur kurz die Augen
schließen würde, wäre mein Gleichgewichtssinn dahin. Vielleicht würde
Frau Lorenz dann endlich klar, dass ich die Promillegrenze für
Fahrradfahrer weit überschritten hatte.
„Weiß Dr. Baum, dass Sie hier sind?“, brachte ich schließlich
einigermaßen klar heraus.
Frau Lorenz sah mich nicht einmal an. Jetzt dämmerte mir, dass sie
genauso neben sich stand wie ich. Ich hatte zumindest den Alkohol als
Ausrede.
„Er weiß es nicht und ich hoffe, Sie werden es ihm nicht sagen. All die
Jahre – meine Aufgabe ist es diskret zu sein. Ich habe über alles
geschwiegen. Verträge, Kündigungen, Firmenkäufe, auch über die
privaten Dinge. Seine wechselnden Partnerschaften, die kleinen Dramen,
die Höhenflüge.“
Die Kontrolle über meine Mimik hatte ich auch verloren und so rollten
sich meine Augen Richtung Stirn. Was mir jetzt noch fehlte war Frau
Lorenz, die sich nachts in meiner Wohnung über ihren schwulen Chef
ausweinte.
Die Vorstandssekretärin schien mich vergessen zu haben. Sie hätte
jetzt auch irgendwo am Strand sitzen können, Palmen im Hintergrund und
ein Krebs, der ihren großen Zeh annagt. Es wäre ihr nicht aufgefallen. In
ihrem Kopf spulte sie 30 Jahre Firmenzugehörigkeit ab.
„Er hat mich immer respektvoll behandelt. Wir waren sozusagen auf
einer Ebene.“
Ich kicherte leise, aber auch das brachte Frau Lorenz nicht aus der
Ruhe.
„Natürlich hat sich vieles verändert seit er Vorstandsvorsitzender einer
AG ist. Wir sind eben kein Familienunternehmen mehr. Alles im Interesse
unserer Aktionäre sagt er immer. Ich bin nicht mit allem einverstanden,
aber ich kann seine Entscheidungen nachvollziehen. Die meisten, meine
ich. Nicht alle...“
Mein Handy piepste, eine SMS. Das Geräusch holte Frau Lorenz
zurück in die Realität. Die Spannung kehrte in ihren Körper zurück wie in
eine Marionette, deren Fäden man anzog. Sie strich sich über den
dunklen Strickrock, als wolle sie nicht vorhandene Krümel abstreifen.
Dann erhob sie sich.
Automatisch stand ich auch auf. Sie ging an mir vorbei zur Tür. Dabei
rümpfte sie ganz unmerklich die Nase.
„Morgen früh wissen Sie sicher, was mit den Unterlagen zu tun ist. Ich
denke, Sie sollten sich jetzt ausschlafen.“
Dann sagte sie: „Das Etikett hängt hinten aus Ihrem Kleid. Sie legen
doch sonst so viel Wert auf Ihr Äußeres.“
Es klang fast mütterlich.
Sobald sie aus der Tür war, goss ich mir ein großes Glas
Leitungswasser ein. Mein Hals war jetzt bereits ausgetrocknet. Keine
Ahnung wie ich mich erst morgen früh fühlen würde. Für einige Sekunden
kam ich mir nüchtern vor und nahm die drei Kopien in die Hand, die Frau
Lorenz zentral auf meinem Schreibtischchaos platziert hatte. Als ich
versuchte die Buchstaben zu entziffern, verschwammen sie vor meinen
Augen und tanzten wie ein Mückenschwarm auf dem Papier. Wie lange es
auch gedauert haben musste, auf einmal wurde mir klar, was ich in der
Hand hielt. Es war nicht mehr und nicht weniger als der Beweis, dass
noch jemand außer dem Boss in Schwierigkeiten steckte.
Ein Telefon klingelte. Nach ein paar Sekunden begriff ich, dass es
meine Skype-Leitung war. Außer Cliff und Lexi waren alle eingehenden
Anrufe gesperrt. Cliff hatte mir gerade noch gefehlt. Im Moment hatte ich
andere Sorgen als mich um die Finanzierung von mehr Serverkapazität zu
kümmern. Fluchend ging ich zum Computer. Es war nicht Cliff, der anrief.
Es war – Lexi.
Lexis Stimme klang aus dem Lautsprecher, bevor sein Gesicht völlig
verzerrt auf dem Bildschirm erschien.
„Vi, endlich. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“
Seine Zähne strahlten trotz der schlechten Leitung unverwechselbar
und ich wünschte mir ich könnte über seinen Dreitagebart streichen.
Eine Mischung aus unbändiger Freude und explodierender Wut
machte sich in mir breit. Zusammen mit dem Alkohol war das keine gute
Kombination. Ich rannte ins Badezimmer und übergab mich ins
Waschbecken.
Bleich, aber etwas klarer im Kopf kehrte ich zum Computer zurück.
„Hi, bist du krank Vi? Hoffe das hat nichts mit mir zu tun. Du musst
besorgt gewesen sein. Aber ich habe einfach keinen sicheren Computer
gefunden – bis jetzt.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für deinen Kommentar! Schau mal wieder vorbei und wenn es für dich wichtig war, like/share den ganzen Beitrag einfach um deine Botschaft weiter zu verbreiten.